GELBE BLUMEN
Ich rannte ins schwach beleuchtete Treppenhaus eines alten Mietshauses. Auf dem Weg nach unten nahm ich zwei, drei Stufen auf einmal. Hauptsache, schnell weg von diesem Ort. Unter der Decke flackerten an Drähten hängende Glühbirnen, Putz und grüne Täfelung bröckelten ab. Ich roch den Geruch von Schimmel und Urin. Von oben drangen Gelächter und Rufe zu mir. Ich war verängstigt. Schnell rannte ich zwei oder drei Stockwerke hinunter und überwand das letzte Hindernis – eine massive Tür – und fand mich auf der Straße wieder. Es war dunkel und es regnete leicht. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Das Zeitgefühl war verschwunden. Ich stand da und überlegte, in welche Richtung ich gehen, flüchten sollte. Der Bürgersteig war breit und Regenpfützen spiegelten das Licht der Straßenlaternen wider. Rechts, links? Rechts. Ich begann wieder schnell zu rennen und sah mich dabei um. Als ich sicher war, dass mich niemand verfolgte, verlangsamte ich mein Tempo und ging nur noch.
Plötzlich geschah etwas Seltsames. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Realität andere Farben angenommen hatte. Andere als bisher. Intensiv, ausdrucksstark, saftig, tief, voll. Wie geil! Das war eine unglaubliche Erfahrung. Eine Offenbarung. Ich fühlte mich wunderbar. Eine verrückte Perspektive eröffnete sich mir, aber das war mir egal. Dieses Bild der Welt gefiel mir viel besser. Es versetzte mich in eine magische Stimmung. Ich fühlte mich frei, fröhlich und positiv. Plötzlich schien alles möglich. Ich drehte mich in diesen saftigen Farben und in meiner Freude so sehr, dass ich furchtlos und ohne Angst vor irgendetwas weiterlief. Alles wurde eins. In der Tasche fand ich einen Pass. Wozu brauchte ich den? In den Müll damit. Schließlich konnte ich fahren und sein, wo ich wollte.
Das war ein wunderbarer neuer Zustand. Auf den nur von Laternen und Weihnachtsbeleuchtung erleuchteten Straßen erreichte ich eine Tankstelle. Unterhalb der Schaufenster standen draußen auf dem Bürgersteig in Behältern saftig gelbe und weiße Schnittblumen. Dieser Anblick verzauberte mich. Ohne lange nachzudenken, ging ich hin und fing an, nur die gelben herauszuziehen. Heute bin ich Margarethe, die endlich ihren Meister finden wird. Ich hatte schon ein paar Sträuße und ging weiter. Da fing jemand an, hinter mir zu schreien. Komm zurück, wer soll das bezahlen? Na, wer denn? Der Meister. Ich war jedoch schon so nah, dass der schreiende Kerl heranrannte und mich aufforderte, die Blumen zurückzugeben. Es tat mir leid, aber ich gehorchte. Und dabei sah ich mit so vielen gelben Sträußen so schön aus. Etwas enttäuscht ging ich weiter. Ich hatte wahnsinnig Lust zu rauchen. Menschen waren kaum zu sehen. Wen auch immer ich nach einer Zigarette fragte, der hatte keine oder rauchte nicht. Alle starrten mich jedoch seltsam an. Aber ich ignorierte das und dachte nur daran, an eine Zigarette zu kommen.
Ich ging vor mich hin, ohne an etwas zu denken. Ich bewunderte die wunderschönen Schaufensterauslagen. Das Gefühl von Angst und Furcht hatte mich längst verlassen. «Wo bekomme ich hier eine Zigarette?» Es war dunkel, ich wusste nicht, wie spät es war und wo ich war. Spielte das für mich eine Rolle? Eher nicht. Ich fühlte mich frei. Frei wie die Freiheitsstatue, die von zu Hause durchgebrannt war. Die Welt gehörte mir. Die Straßen schienen mir erschreckend leer. Aus der Ferne sah ich eine Polizeistreife. Ohne lange zu überlegen, versteckte ich mich im ersten Hauseingang. Wieder Treppen. Doch jetzt stieg ich nach oben. Im Treppenhaus roch es nach Farbe. Frisch gestrichene Wände und Geländer, eine ordentliche Beleuchtung machten einen gemütlichen Eindruck. Das Mietshaus war hoch, vier oder fünf Stockwerke. Schade, dass es keinen Aufzug gab, denn ich stieg mühsam die Treppen hinauf. Als ich im obersten Stockwerk, oder besser gesagt auf dem Dachboden ankam, bot sich mir ein interessanter Anblick. Ausgebreitete Bettlaken, zahlreiche Pinsel und Farben. Dieser Teil wartete noch auf die Renovierung. Ich öffnete den ersten Farbeimer, blau. Den zweiten – grün. Den dritten – gelb. Bingo! Ohne lange zu überlegen, griff ich zum Pinsel und begann zu malen. Wolken, aus denen die Sonne hervorbrach und unten mit grün-gelber Farbe eine Wiese. Meine Bewegungen waren fließend und sicher. Die Farben harmonierten perfekt miteinander. Sie waren so saftig, einfach wunderschön. Das Malen dauerte eine ganze Weile, es war ja eine ganze Wand. Als ich fertig war, war ich überglücklich und zufrieden mit dem Ergebnis. Ich ließ den ganzen Kram zurück und begann, langsam nach unten zu gehen. Ich hatte solche Lust zu rauchen, dass ich ohne zu zögern an die erste Tür klopfte. Stille. Niemand öffnete. Ich ging ein Stockwerk tiefer. Diesmal läutete ich. Ein verschlafener Mann in Boxershorts und einem ausgeleierten grünen T-Shirt öffnete. Mit einem Lächeln auf den Lippen bat ich um eine Zigarette. Der Typ sah mich unsicher an, als wollte er die Situation einschätzen. Schließlich bat er mich nur, leise zu sein, weil die Kinder schliefen und verschwand kurz in der Wohnung. Als er zurückkam, gab er mir zwei Zigaretten. Ich lächelte fröhlich, bedankte mich leise und bat um Feuer. Er kramte aus der Tasche seiner an der Garderobe hängenden Jacke ein Feuerzeug hervor und reichte es mir. Ich lächelte, wünschte ihm einen schönen Tag und drehte mich auf dem Absatz um, ohne auf eine Antwort zu warten. Schon ein Stockwerk tiefer zündete ich mir die Zigarette an und zog tief daran. Langsam ging ich die Treppe hinunter und rauchte. Ich hatte keine Lust, aus diesem warmen Treppenhaus in den immer noch fallenden Regen hinauszugehen.
Motte
Eine schöne Graue breitet jede Nacht ihre Flügel weit aus. Sie fliegt blindlings dem Licht der Liebe entgegen. Sie reist ihm entgegen, indem sie gegen Wände, Vorhänge, die Decke stößt. So angeschlagen und wund unter der Berührung der Lichtstrahlen, verwandelt sie sich in eine schöne Frau. Eine Frau voller Farbe und Mut. Eine Königin für eine Nacht. Sie tanzt wie verrückt bis zum Morgengrauen, bis das Sonnenlicht ihre zarten Farben des Glücks verbrennt. Sie ist wie der Flaum des Altweibersommers, den wir mit der flüchtigen Hand verschmähen, aber auf den wir uns freuen, wenn er kommt. Ihr rasender Tanz von oben nach unten und von unten nach oben und von oben nach unten gegen die Wand. Sie kehrt zum Karussell zurück. Mit letzter Kraft klammert sie sich an den Flug. Sie flattert mit ihren Flügeln in alle Richtungen und schreit vor Verzweiflung. In einem Augenblick hat sie ihren Charme und ihr Selbstvertrauen verloren. Man findet sie am Morgen auf dem Teppich. Ausgetrocknet für das Leben.
Sumpf
Sumpf…. Zieht dich langsam, ermutigend und geduldig an…. Verspricht, versichert und verspricht, macht falsche Hoffnungen …. Wofür? Je nach deinen Bedürfnissen…. Zuerst der Spaß, das Interesse, die körperliche Nähe zur Sünde…. Du wirst langsam sein Sklave, du wirst süchtig wie eine gute Droge, du siehst nichts als ihn…. Und doch ist es der Sumpf!!!!….Du weißt es und stapfst weiter, bis du auf die Schnauze fällst und getroffen wirst…. Und der Sumpf lacht, weiß aber, dass er bereits in dir existiert. Er infiziert dich mit sich selbst, er ist bereits in deinem Körper. Straffreiheit und Zufriedenheit…..Der Sumpf um dich herum wird sich nicht mehr ändern – du bist im Sumpf eines versklavten Geistes. Gefangen und gefangen. Es gibt kein Entkommen – der Sumpf hat dich bereits erfasst…. Du wirst sein Gefangener sein und er dein Gefängnis. Amnestie gilt nicht für dich, du hast alles verloren…. Der Sumpf wusste, dass du schwach bist und schnell aufgeben würdest…. Du stirbst auf Raten… Der Sumpf triumphiert wieder..
(Autorin Dagna Mężyńska.
Gelbe Blumen übersetzt von Wiesław Trojanowicz.
Motte und Sumpf übersetzt von Mila Kristlib)